Samstag Abend waren wir in der Tanzfaktur. Die Tanzfaktur ist ein kulturelles Zentrum für zeitgenössischen Tanz gleich um die Ecke des Quartier am Hafen: „Inkubator 2019“. Drei Abschlusspräsentationen der TänzerInnen und ChoreografInnen aus dem Residenzprogramm.
Nachdem mich die erste Präsentation der finnischen Performerin Linda Martikainen etwas ratlos zurückgelassen hat (es sollte wohl um das Thema „Rohheit“ gehen, was ich dank mangelnden Lichts und fehlender Lesebrille erst im Nachhinein im Programmheft gelesen habe, was ich aber weder in den verspürten Materialqualitäten der irgendwie leblos wirkenden Show noch in der Dramaturgie nachvollziehen konnte), haben mich die zwei folgenden Darbietungen mehr als begeistert. Wow!
Leider habe ich keine Fotos für euch, nur einen Link zur bereits beendeten Veranstaltung.
Nach der Umbaupause (in der wohl die Reste der gekochten und rohen Roten Beete entfernt werden mussten) sahen wir eine Geschichte rund um das Wohnen, das Leben in Städten, über Nachbarschaft, über zu kleine und zu große Wohnungen, über arm und reich, Freundschaft und Gleichgültigkeit, eigentlich über den Sinn des Daseins und des Lebens, ach, und noch vieles mehr. Und das alles so erfrischend alltäglich und lebensnah. Eine klasse Performance, die ich hart an der Grenze zur Satire empfand (was sie nicht war, was mir das dank mangelnden Lichts und Lesebrille erst nachträglich bemühte Programmheft sagte). Egal, ich habe es genossen, nicht zuletzt dank der hervorragenden Tänzer (von denen mir einige hier im Quartier, meine ich, schon mal über den Weg gelaufen sind. Das Programmheft nennt: Elsa Hartmann, Samuel Duvoisin, Diane Treder und Anne-Lene Nölde).
Zum Schluss der Hammer. Constanza Ruiz Campusano und Maria Mercedes Flores Mujica (ja ja, die Südamerikanerinnen haben zuweilen so elendig lange Namen) erzählten eine Geschichte über, wie ich fand, das unerbittliche Jugendlichkeits-Diktat unserer Kultur und seine Ambivalenz, unseren fast zwanghaften Wunsch, uns immer toll zu inszenieren, immer fit und gesund und schön zu sein, und dafür zu leiden, und wie man fast daran zugrunde geht. Sag ich jetzt, ist natürlich komplett konfabuliert. Laut Programmheft ging es aber immerhin um die großen Emotionen und wie sie den Körper durchströmen. Mit einer (für mich) unfassbaren Körperbeherrschung haben die beiden Tänzerinnnen Ekstase, Glück aber auch Elend und Streit so auf das Wesentliche reduziert dargestellt (ohne Musik, auf einer Tanzfläche ganz ohne Requisiten) und so stark in eine in sich schlüssige Story gepackt und zugespitzt, dass einem ein Schauer den eigenen (untrainierten) Rücken herunterlief.
(ms)